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Herrnrast - Rettung einer Wallfahrtskirche durch Claus Hipp

Herrnrast - Rettung einer Wallfahrtskirche durch Claus Hipp

i 3. November 2019 von S. Krimm

Die 2 km östlich von Ilmmünster in einem Seitental des Ilmtals auf einem Hügel gelegene, dem heiligen Pankratius geweihte Wallfahrtskapelle Herrnrast, gehört zu den besonderen kulturellen Schmuckstücken unserer Gegend. Sie wurde wohl 1599 erbaut und, nachdem sie im 30-jährigen Krieg gelitten hatte, 1689 erneuert. Seit 1669 betreute ein Einsiedler, der in einem kargen Raum über der Sakristei wohnte, das Kirchlein. Bis etwa 1870 war es Ort einer zweitägigen Kirchweih mit Buden und Verkaufsständen, an der einmal sogar der bayerische König Max II. mit seiner Familie teilgenommen haben soll. In den 1960er Jahren drohte die Kapelle, u.a. wegen Schäden an ihrem Dach, die zum Eindringen von Wasser führten, zu verfallen. Der die Apsis und den Altarbereich abgrenzende Bogen drohte herunterzubrechen und das sehr steile Dach musste erneuert werden. Ihre Rettung 1973/74 verdankt die Kapelle Professor Dr. Claus Hipp, der uns dazu im folgenden Interview Auskunft gab. Die Wiedereinweihung nahm Julius Kardinal Döpfner als Erzbischof von München und Freising am 12. Dezember 1974 vor.

HKK: Herr Professor Hipp, Sie haben wesentliche Aktivitäten zum Erhalt der kulturgeschichtlichen Denkmäler in Pfaffenhofen und Umgebung unternommen. Die Kapelle Herrnrast haben sie 1973/74 renovieren lassen, darauf weist eine kleine Tafel links von ihrem Eingang hin. Das geschah in einer Zeit, in der andere Themen, wie die „Bildungskatastrophe“, die Selbstverwirklichung oder die so genannte „sexuelle Befreiung“ für viel bedeutsamer gehalten wurden als etwa die Renovierung einer Wallfahrtskapelle, eines religiös geprägten Bauwerks also. Was löste Ihre Initiative denn eigentlich aus?

Claus Hipp: Nun, die Kapelle ist immer mehr verfallen und ich erinnerte mich daran, dass ich nach dem Krieg zusammen mit meinem Vater an einer Wallfahrt dorthin teilgenommen hatte. Es war eine Männerwallfahrt aus Pfaffenhofen, und Wallfahrten nach Herrnrast fanden immer auch in Kriegs- und Notzeiten statt. In diesem Fall war Hintergrund der Dank dafür, dass der Krieg gut überstanden worden war. Und als die Kapelle immer mehr verfallen ist, habe ich den damaligen Pfarrer von Ilmmünster, Pfarrer Ebner, angesprochen. Da müsse etwas gemacht werden, sagte ich ihm, und er antwortete mir, „Ja, sicher, aber ich mag mich mit denen in München nicht mehr rumärgern. Wenn Sie das wollen, dann viel Vergnügen dabei!“ Als wir dann im weiteren Gespräch feststellten, dass wir aus dem gleichen Stadtviertel in München kommen, aus Neuhausen, wurde das Vertrauensverhältnis stärker, und er meinte, „Ja, machen Sie das nur, aber halten Sie mich raus!“ Mit „denen in München“ meinte er die Mitarbeiter des Erzbischöflichen Ordinariats.
Dann habe ich angefangen und freiwillige Helfer ermuntert mitzumachen. Als Lohn gab es nur eine Brotzeit. Es hat ein Jahr gedauert, dann haben wir es gehabt. Die Materialkosten hat München übernommen, die Lohnkosten wir. Insgesamt handelte es sich um 6-700 000 DM für das Material und die Lohnkosten waren etwa gleich hoch.

HKK: Hatten sie auch einen ganz persönlichen Bezug zu der Kapelle, etwa auch zu der eindrucksvollen Figur des Herrn in der Rast, die man dort auf dem Altar sehen kann?

Claus Hipp: Ja, den habe ich. Die heutige Figur war allerdings nicht in der Kirche, die stammt aus der Kunstsammlung meines Vaters, die sich in der Firma befand. Das ursprüngliche Gnadenbild war gestohlen worden und so musste es ersetzt werden. Es ist dann später im Antiquitätenhandel aufgetaucht und ich konnte es erwerben. Es befindet sich heute im Pfarrhaus von Ilmmünster.

HKK: Haben sie damals dann auch das Gitter im Eingangsbereich der Kapelle einbauen lassen, um weitere Diebstähle zu verhindern?

Claus Hipp: Das Gitter war schon vorhanden, es hatte aber den Diebstahl nicht verhindern können. Es war die Zeit, in der man sein Haus, selbst den Partykeller, gerne auch mit alten Kunstgegenständen „schmückte“. Für deren Beschaffung gab es gewerbsmäßige Banden, die sich darauf spezialisiert hatten.

HKK: Hatte Ihre Familie eine besondere Beziehung zu Herrnrast, die dafür gesorgt hat, dass Sie das Aufhalten ihres Verfalls als Aufgabe wahrgenommen haben?

Claus Hipp: Es war eigentlich eine innere Stimme, die mir sagte, dass ich hier aktiv werden müsse, weil es sonst wahrscheinlich keiner tue. Meine Familie besitzt einen Bauernhof im Nachbartal, zu dem unterhalb der Kapelle eine Talfläche gehört, die heute als Wildgehege genutzt wird. Den Hof habe ich schon als junger Mann von 18 Jahren zu betreuen gehabt. Da ist mir dann schließlich der Zustand der Kapelle aufgefallen.

HKK: Sie kommen ganz regelmäßig zu dem Kirchlein, und dort haben meine Frau und ich Sie vor etwa 5 Jahren auch schon einmal in aller Frühe, so zwischen 6 und 7 Uhr, angetroffen. Sie haben damals im Altarbereich etwas aufgeräumt.

Claus Hipp: Ja, ich mache auch Mesner-Dienste.

HKK: Ist das eine Arbeit, die sonst niemand übernehmen will? Und hätten Sie nicht genug Mitarbeiter, die Ihnen diese Aufgabe abnehmen könnten?

Claus Hipp: Das mache ich vor dem Beginn meiner täglichen Arbeit gerne selbst und sorge auch für den Schmuck im Altarraum im Jahresablauf, zum Beispiel in der Adventszeit. Natürlich hat man dabei auch Gelegenheit zu einer Art innerer Einkehr in der Kapelle.
Übrigens haben wir auch einmal im Monat einen Gottesdienst von der Firma aus, der mit bis zu 50 Teilnehmern recht gut besucht wird und nicht zuletzt der Erinnerung an unsere verstorbenen Mitarbeiter dient. Sie können sich darauf verlassen, dass da niemand teilnimmt, um dem Chef besonders zu gefallen. So etwas gibt es bei uns nicht. Aus Angst kommt keiner hin, sondern nur, weil er es gern tut. Die flauschigen Decken, die man dort momentan auf zwei Bänken vorfindet, hängen damit zusammen, dass es im Winter in der Kapelle doch sehr kalt ist und man sich mit ihrer Hilfe etwas warmhalten kann.

HKK: Die Herrnrast-Kapelle ist in ihrer baulichen Ausstattung, zum Beispiel dem hübschen Stuck an der Decke und den Altären, auch ein sehenswertes Denkmal der Kunst ihrer Zeit. Sie selbst gehören zu den bedeutenderen zeitgenössischen Künstlern, sind ausgebildeter akademischer Maler, waren Meisterschüler an der staatlich anerkannten Malschule Heinrich Kropp in München und haben eine ordentliche Professur an der Staatlichen Kunstakademie in Tiflis, in Georgien. Ein Gemälde von Ihnen ist das einzige moderne Kunstwerk, das in der Münchner Frauenkirche zu sehen ist, Museen und Ausstellungen in- und außerhalb Deutschlands zeigen Ihre Bilder. Gibt es für Sie eine Verbindung zwischen früheren Formen der Kunst, insbesondere der religiösen Kunst, und Ihrem eigenen Schaffen?

Claus Hipp: Wie Sie andeuten, habe ich auch schon für Kirchen gearbeitet, nicht nur für den Münchener Dom, sondern auch für eine evangelische Kirche. Unsere Zeit drückt sich halt anders aus, als wenn man 300 Jahre zurückgeht. Aber die teilweise auch religiöse Dimension künstlerischen Schaffens sollte man nicht in Frage stellen.

HKK: Die Verbindung der Bereiche ist mir soeben unten auch in der Empfangshalle der Firma Hipp aufgefallen. Dort steht eine Reihe ihrer Bilder, teilweise verpackt, und gleich daneben hängt ein großes Kruzifix. Bei näherem Hinsehen habe ich das Symbol des Kreuzes auch auf einer ihrer zunächst ganz abstrakt scheinenden Darstellungen gesehen und ein scharfer Kontrast war eigentlich nicht spürbar. Haben Sie einmal daran gedacht, auch in Herrnrast einen solchen Akzent zu setzen?

Claus Hipp: Nein. Da kann ich mich schon zurückhalten, das ist nicht nötig. Die Kapelle weist eine in sich geschlossene historische Form auf, da muss sich nicht jede Zeit zwangsweise verwirklichen wollen. Die Bilder unten im Eingangsbereich warten auf ihren Transport zu einer Ausstellung in Aachen.

HKK: Die Wallfahrtskirche macht, wie jeder sehen kann, nicht den Eindruck eines Museums. Wenn man hineinkommt, bemerkt man, dass das Weihwasserbecken gefüllt ist, das Ewige Licht brennt und dass dort auch noch Gottesdienste gefeiert werden. Dem Blumenschmuck und den Blütenblättern nach zu urteilen, die man manchmal vor der Türe findet, wird sie auch gerne für Hochzeiten genutzt. Sie spielt also noch eine gewisse Rolle im religiösen Leben ihrer Umgebung.

Claus Hipp: An ihr und ihrem Schicksal wird auch heute noch Anteil genommen in der Bevölkerung. Gelegentlich werde auch ich wegen ihrer Erhaltung angesprochen und bekomme (als Mesner) sogar ein Trinkgeld. Das stecke ich dann in den Opferstock.

HKK: Der ist ja ohnehin ein eigenes kleines Denkmal. Mit seiner Einmauerung und den kräftigen Eisenbeschlägen macht er deutlich, dass im Laufe der Jahrhunderte wahrscheinlich keineswegs nur fromme Pilger den Weg zu der Kapelle gefunden haben.
Aber nochmals zu Ihrer Arbeit als Künstler und Lehrender: Sie erleben in Georgien im Kontakt mit den Studenten auch den Kontrast zwischen allgemeiner Kultur, Kunst und religiösem Leben. Kann man die Situation dort mit der bei uns vergleichen oder ist das eine völlig andere Welt?

Claus Hipp: Es ist dort so, dass die Mehrheit der Jugend sicher religiöser ist als hier im Westen. Der Glaube ist alles in allem noch viel stärker verankert. Vielleicht auch, weil die Leute dort auch die Notzeiten intensiver erlebt und im Gedächtnis haben. Notzeiten und Offenheit für Religiöses korrespondieren doch eng miteinander.

HKK: Sie haben ja auch einmal in einem sehr lesenswerten Interview mit der Berliner Zeitung gesagt, dass für Sie persönlich die Religion - und so doch sicher auch die Herrnrast- Kapelle - ein Ort sei, wo man Hilfe finden könne, wenn es einmal etwas schwieriger werde. Wörtlich: „Ich bin froh, dass ich mich in schwierigen Situationen an Gott wenden kann.“

Claus Hipp: Ja, das ist für mich die direkte Verbindung zwischen Religion und Gesellschaft. Auch heute noch. Und in die Kapelle sind sicherlich schon sehr viele Leute mit ihren Sorgen gekommen und haben sie dort ein wenig „abgeladen“. Das sieht man auch an den Votivgaben an der Wand.

HKK: Ihr Engagement speist sich aber offensichtlich nicht nur aus einer religiösen, sondern auch einer von ihnen gespürten kulturellen Verpflichtung. Was bildet dafür den Hintergrund?

Claus Hipp: Daran ist sicher meine Erziehung schuld, insbesondere mein Vater, der sehr kunstinteressiert war. Er hat selbst Kunst gesammelt, und der heutige Herr in der Rast in der Kapelle kommt, wie schon erwähnt, aus seiner Sammlung. So ist dann auch bei mir eins zum anderen gekommen.

HKK: Sind Sie auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturpflege in unserer Region immer noch aktiv oder ist aus ihrer Sicht das Wesentliche, was getan werden musste, nun doch schon getan?

Claus Hipp: Nein, nein, ich bin immer noch aktiv. Zum Beispiel habe ich jetzt in Scheyern einen Auftrag bekommen, den Wittelsbacher Saal, einen großen Raum für 300 Leute, der neu gestaltet wurde, mit Bildern auszustatten. Die ersten beiden habe ich mit Studenten von mir bereits fertiggestellt und das wird weitergehen. Das tue ich gerne, auch im Hinblick auf die Geschichte der Wittelsbacher, die ja früher Schyren waren.

HKK: Nicht unerwähnt bleiben soll, dass zu Ihren kulturgeschichtlichen Aktivitäten in Pfaffenhofen und Umgebung auch die Renovierung des Stadtturms an der oberen Stadtmauer zählt. Wahrscheinlich gibt es doch noch viel zu tun, wenn man nur genau hinschaut. Und diese Gabe haben Maler – gegenständliche oder abstrakte – bekanntlich ja in hohem Maße! Herr Professor Hipp, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.

Das Interview für den HKK führte unser Mitglied Dr. Stefan Krimm, Hettenshausen, im April 2017.
Die Schwarzweiß- Fotos wurden uns durch Professor Claus Hipp zur Verfügung gestellt.
Literatur:
Kirchenführer Ilmmünster, bearb. von Peter Pfister, München und Zürich (Schnell und Steiner) 1985
Herrnrast, Kirchlein in idyllischer Lage, http://www.kloster-scheyern.de/rund-um-scheyern/benachbarte-ziele/herrnrast.html

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