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Gelebte Geschichte: Anton Knan, Jahrgang 1937

Gelebte Geschichte: Anton Knan, Jahrgang 1937

i 30. Dezember 2020 von U. Beyer

Bis ins Jahr 1690 reicht Anton Knans Stammbaum väterlicherseits zurück. 1937 kam er in Sulzbach-Rosenberg-Hütte zur Welt. Er wurde in eine gebildete, musikalische Familie hineingeboren. Der Großvater war in Amberg ein angesehener Organist in der Basilika St. Martin. Der Vater Josef Knan war im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs Offizier und studierte dann Musik und Lehramt in München. Dort lernte er Anna Widmann kennen, die aus einer Ingolstädter Kaufmannsfamilie stammte und am Konservatorium ebenfalls Musik studierte. Die beiden heirateten 1925 und Josef Knan ernährte seine wachsende Familie als Volksschullehrer in Sulzbach-Rosenberg-Hütte.
Aus dieser Ehe gingen im Zeitraum von elf Jahren vier Kinder hervor. Anton war das jüngste, der kleine geliebte Prinz. Er erlebte nach seinen Worten eine "traumhaft schöne Kindheit mit liebevollen Eltern".
Beide Eltern waren zur Zeit des Nationalsozialismus im Schuldienst und wurden folglich genötigt, in die Partei einzutreten. Die Kinder wurden durch interessante Veranstaltungen in die Hitlerjugend und zum Bund deutscher Mädchen gelockt, um sie dort zu indoktrinieren. Es war also kein Wunder, dass der kleine Anton es genoss, auf den Schultern des großen Bruders zu Treffen der Hitlerjungen getragen zu werden. Die damals gängigen antisemitischen Sprüche und Lieder sind ihm noch heute in Erinnerung. Er schnappte sie aus seinem Umfeld auf, nicht in der christlich gesinnten Familie, wohlgemerkt.
Anton Knan betont: "Ich bin zwar - nach heutiger Sicht - in einer sehr armen und unruhigen Zeit aufgewachsen, kann mich aber meist nur an schöne Dinge erinnern, ist es doch für ein Kind auch schön, wenn es ohne Druck und relativ frei machen kann, was es will."
Diese Freiheit hatte ihre Ursache allerdings zum großen Teil in der Geschichte und ihren Auswirkungen auf die Familie: Als der Junge erst zweieinhalb Jahre alt war, zog der Vater in den Krieg, während die Mutter im Schuldienst arbeitete und oft nicht daheim war. Die wechselnden Kindermädchen waren ein schlechter Ersatz, denn sie nahmen ihre Aufgabe nicht allzu ernst.
1941 starb der Vater im Feldlazarett an einem Magendurchbruch. 1944 wurde auch der 17-Jährige Bruder Heinz Soldat und war schon ein Jahr später vermisst. Nun war der Familienvater tot und der älteste Sohn konnte auch keine Stütze mehr sein. Finanziell herrschte Not, denn Anna Knan hatte auf die damals geringere Lehrer-Rente verzichtet und statt dessen die höhere Offiziersrente ihres Mannes beantragt. Diese wurde nach Kriegsende allerdings nicht ausbezahlt, so dass sie überhaupt keine Rente bekam.
"Das Essen war knapp, ebenso der Schulunterricht", berichtet Anton Knan. Letzteres empfand der abenteuerlustige Bub jedoch nicht als Nachteil. Die Schule war in ein drei Kilometer entferntes Gebäude im Wald ausgelagert worden, so dass allein schon der Schulweg zu den verschiedensten Abenteuern Gelegenheit bot. Bei Fliegeralarm mussten sich die Kinder im Wald verstecken. Die Aushilfslehrer waren sehr streng. "Watschn hab ich oft gekriegt, vermutlich zu Recht. ", erzählt Anton, "Selbst der Nikolaus hat mich einmal tatsächlich 15 Minuten lang im Sack schmoren lassen. Das allerdings hatte ich meiner großen Schwester zu verdanken. Die Mutter war gar nicht im Haus." Dieses traumatische Erlebnis hinterließ einen tiefen Eindruck.
Gerne marschierte der Knirps mit singenden Soldatenkompanien durch die Straßen und sang mit. Sogar ein ungarisches Marschlied lernte er dabei, ohne ein Wort davon zu verstehen.
Schrecken verursachte allerdings der Einmarsch der Amerikaner. Noch nie hatte der Junge bis dahin einen schwarzen Menschen gesehen, und nun kam doch tatsächlich ein pechschwarzer Ami-Soldat zur Hauskontrolle in die Wohnung. Der durchsuchte alles, aber eine Schublade war verschlossen. Die Mutter fand den Schlüssel nicht und zitterte wie Espenlaub. Aber der Kontrolleur beruhigte sie und verließ das Haus, ohne Schwierigkeiten zu machen.
Alle Deutschen mussten ihre Waffen abgeben, auch die Jäger. Und Anton beobachtete, wie die Besatzer die Gewehre gegen eine Mauer schlugen, um sie unbrauchbar zu machen.
Andererseits machten sich die Amis auch mit Kaugummis beliebt, und indem sie ihre Zigaretten nur halb aufrauchten und dann wegwarfen, so dass die Buben sie aufsammeln und den Tabak dann wiederverwerten konnten. "Unsere Hausnäherin, eine starke Raucherin, hat uns dafür gerne etwas repariert", erinnert sich Anton.
In den Jahren nach dem Krieg bis zur Währungsreform 1948 gab es Lebensmittelmarken. Nur mit diesen konnte man in den Geschäften etwas kaufen. Antons Mutter tauschte regelmäßig die Fleisch- und Tabakmarken gegen Marken für Grundnahrungsmittel, um die Kinder satt zu kriegen. Die Nachbarskinder taten sich manchmal zusammen, um bei Bauern zu hamstern. "Aber das hieß nur so", erläutert Anton Knan, "Hamstern war ja tauschen, und das konnten wir natürlich nicht. Womit auch? Unser Hamstern war nur betteln. Viel hab ich nicht nach Hause gebracht. Das meiste verschwand vorher im Magen. Ja, es gäbe noch viele, heute unmögliche Sachen zu erzählen. Aber die Zeit war halt so!"
Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes begannen die vier Besatzungsmächte mit der Entnazifizierung, jede auf ihre eigene Weise. In der amerikanischen Besatzungszone musste jeder einen Fragebogen mit 131 Fragen bezüglich seiner Rolle in Nazideutschland ausfüllen und wurde entsprechend eingestuft als mehr oder weniger "belastet". Davon hing u. a. ab, welchen Beruf man ausüben durfte. Anna Knan bekam ihr Ergebnis erst 1947.
Um sich wieder eine Lebensgrundlage aufzubauen, zog sie bei ihrer Schwester in Ingolstadt ein, knüpfte an ihren persönlichen Bezug zur klösterlichen Gnadenthal Realschule an und konnte dort wieder als Musiklehrerin unterrichten.
Die ersten Nachkriegsjahre in Ingolstadt waren schwer. Das Geld war so knapp, dass sich der Junge für die Erstkommunion Schuhe ausleihen musste, die zu groß waren. Barfuß ging er den halbstündigen Weg zur Kirche, zog dort diese Schuhe an, um danach wieder barfuß heimzugehen. "Aber auf dem Foto habe ich gut ausgesehen", schließt Anton Knan ironisch.
Auch in schulischer Hinsicht war die Nachkriegszeit abenteuerlich. Die Mutter gab den ganzen Tag Musikunterricht, so dass Anton nach der Schule nicht nach Hause gehen konnte, sondern im Kinderhort der Marienheim-Schwestern betreut wurde.
Als der Junge alt genug für das Gymnasium war, kam er zu den "Steyler Missionaren auf der Schanz" ins Internat. Dort teilten sich 35 Knaben einen Schlafsaal, in dem nach dem Abendgebet absolute Stille zu herrschen hatte. Trotz der Strenge, gefiel es Anton in diesem Kloster so gut, dass er einige Zeit den Traum hegte, als Missionar nach den Philippinen zu gehen, weniger um dort das Christentum zu verbreiten, als aus Abenteuerlust. Obwohl er am selben Ort wohnte, durfte er, wie alle anderen, nur alle vier Wochen heim.
Latein und Griechisch waren die größten Hindernisse auf dem Weg zum Abitur. Deshalb ging er vom Gymnasium ab und stattdessen nach Eichstätt an die Lehrerbildungsanstalt, denn bis ca. 1954 war dafür das Abitur keine Voraussetzung. Zum Glück unterrichtete Antons Schwester Eva zu dieser Zeit gerade als Hauswirtschaftslehrerin an der Landwirtschaftsschule in Eichstätt. Sie empfahl ihm, sich zum landwirtschaftlichen Berufsschullehrer ausbilden zu lassen. Dazu musste er aber zuerst eine landwirtschaftliche Lehre am Erlachhof in Ingolstadt absolvieren, bevor er an die Ackerbauschule gehen durfte. Als er diese 1959 abschloss, war es zwar nicht mehr möglich, mit dieser Ausbildung Berufsschullehrer zu werden, aber nun galt er stattdessen als Agraringenieur.
Mit diesem Abschluss hat sich Anton Knan verschiedene Betätigungsfelder gesucht, weil er sich beruflich gerne wieder Neuem zuwandte. Er begann in der Abteilung Agrarhandel bei der Raiffeisenbank, arbeitete im Tiergesundheitsdienst, lange Zeit im Hopfenforschungsinstitut in Hüll und schließlich im Amt für Landwirtschaft in Pfaffenhofen, zuständig für Naturschutz und Landschaftspflege. Diese Stelle hatte ihm der damalige Staatsminister Dr. Hans Eisenmann ermöglicht. Hier konnte er sich voll verwirklichen.
1972 zog er mit seiner wachsenden jungen Familie nach Pfaffenhofen, weil diese verkehrsgünstig liegende Stadt schon damals weiterführende Schulen und eine gute ärztliche Versorgung bot. Als eines der ersten Mitglieder trat er dem wiederbelebten Heimat- und Kulturkreis bei.
Sein jahrelanger Einsatz für eines der letzten Hallertauer Holzblockhäuser aus dem Jahr 1793 war mit Erfolg gekrönt. Es wurde vor der Zerstörung gerettet, indem es umgesetzt wurde. Jetzt steht es in Ebersbach zwischen Petershausen und Weichs.
Naturschutz und Landschaftspflege sind Anton Knans große Leidenschaft und höchst wichtig in einer Zeit zunehmenden Flächenversiegelung und intensiver Landwirtschaft . Deshalb engagierte er sich aktiv beim Bund Naturschutz und betätigte sich nach der Pensionierung im Jahr 2000 noch drei Jahre lang als selbständiger Projektleiter auf diesem Gebiet, zum Beispiel für die "Lebensraumverbesserung der Tierwelt in der Agrarlandschaft". Es gelang ihm, einen ansehnlichen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Landkreis aus der intensiven Nutzung herauszunehmen und zu agrarökologisch wertvolleren Flächen umzuwandeln.
Er organisierte zahlreiche Pflanzaktionen, z. B. auch mit den Stadträten und mit dem Schyren-Gymnasium. Für sein Engagement wurde er 2012 vom Landesbund für Vogelschutz mit dem Pfaffenhofener Naturschutzpreis ausgezeichnet. "Natur ist mein Lebensinhalt", bekräftigt er.
Auch die veränderte Haltung gegenüber dem Judentum in der Bundesrepublik Deutschland schlägt sich in Anton Knans Lebensgeschichte nieder. Im Rahmen der Aussöhnung mit Israel wurden u. a. sportliche Kontakte gefördert. So kam, die ältere Tochter der Knans, Susanne, schon 1985 mit dem Judoverband zu einem Vergleichswettkampf nach Israel. Daraus entwickelten sich Freundschaften, sodass sie nach ihrem Abitur 1992 in einem Kibbuz ein freiwilliges soziales Jahr absolvierte. In die vielen wechselseitigen Beziehungen mit Besuchen und Gegenbesuchen wurde auch ihre jüngere Schwester Sonja einbezogen, die bei dieser Gelegenheit ihren späteren Ehemann kennenlernte und seit 2002 in einem Vorort von Tel Aviv lebt. Mehrfach hat sie Anton Knan mit seiner Gattin schon dort besucht. Er ist beeindruckt von diesem kontrastreichen Land, das uns in Kultur, Wissenschaft und Technik in vielem überlegen ist, während man andererseits noch Eselskarren beobachten kann. Dass er die Politik Israels nicht in jeder Hinsicht gut heißt, steht auf einem anderen Blatt.
Als aktives Mitglied des Heimat- und Kulturkreises arbeitete Anton Knan z. B. mit, als es im Museumsdepot in Heißmanning noch Tage der offenen Tür gab. Bei der 575- Jahrfeier Pfaffenhofens drückte er am Stand des Vereins das Stadtsiegel in roten Siegellack und auch auf der Messe "Gut leben, gut Wohnen" im Jahr 2018 half er, den Messestand zu betreuen. Auf Anton Knan ist Verlass.

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