Neues und Historisches

Häusergeschichten: Historismus trifft Jugendstil, Hauptplatz 29

Häusergeschichten: Historismus trifft Jugendstil, Hauptplatz 29

i 15. Dezember 2019 von U. Beyer

Eines der jüngeren Baudenkmäler Pfaffenhofens, etwa 110 Jahre alt, ist die ehemalige Post am Hauptplatz 29. Mit seinem Stilmix aus Jugendstil im Stuck an der Giebelspitze und den antikisierenden Säulen im Eingangsbereich lässt es erkennen, dass es um die Jahrhundertwende erbaut wurde, als Pfaffenhofen einen Wirtschaftsaufschwung erlebte, so dass nicht nur Geschäftshäuser ihre Fassaden im Stil des Historismus bzw. Jugendstils verschönerten, sondern auch öffentliche Gebäude entstanden, wie z.B. das Rathaus, Schulhäuser und eben auch ein Postamt.

In der Stadtgeschichte spielt allerdings der Vorgängerbau eine größere Rolle, denn er gehörte zeitweise einem Wohltäter, dessen Name noch heute bekannt ist: Franz Gritsch. Im jugendlichen Alter von 19 Jahren ergriff der Ingolstädter Gastwirtssohn die Gelegenheit, in eine wohlhabende Pfaffenhofener Gastwirtsfamilie einzuheiraten. Er vermählte sich im Jahr 1695 mit der acht Jahre älteren Witwe Klara Zehentmayr, "Weingastgebin".
Da die Ehe kinderlos blieb, übertrug das Paar sein Vermögen nach und nach der Stadt in Form von Gebäuden, Grundstücken und Geld für die Versorgung unverschuldet verarmter Bürger. So entstand nach dem Tod der beiden durch Zusammenlegung zweier Stiftungen die noch heute existierende Heilig Geist und Gritsch'sche Fundationsstiftung.
Zurück zum Bauwerk: Franz und Klara Gritsch kauften 1709 das Eckhaus am mittleren Hauptplatz samt Äckern, Wiesen und Wald. Der hoch angesehene Franz Gritsch - für einige Zeit Bürgermeister Pfaffenhofens - schenkte 1736 das Haus der Stadt zur Verwendung als Stadtschreiberei und zur Unterbringung von Pfründnern, d. h. verarmten Bürgern. Einzelzimmer gab es leider keine, so dass es nicht selten zu Streitigkeiten kam. Um für Frieden zu sorgen verfügte der Stifter schließlich, dass nur Eheleute bzw. Mutter und Tochter gemeinsam ein "Stüberl" bewohnen durften.
Nach 1803 diente das Gebäude sogar einige Jahrzehnte als Rathaus, danach als Stadtwaage und Hopfenlager, bis es 1890 die Königliche Oberpostdirektion anmietete und neun Jahre später eine öffentliche Telefonstation einrichtete.
Bis Ende der 1960er Jahre blieb hier das Postamt.

Um 1900 war das Haus in die Jahre gekommen, deshalb entschloss sich die Stadt auf Drängen der Oberpostdirektion, es abzureißen und durch einen modernen Neubau zu ersetzen. Vor dem Abriss durfte es die Feuerwehr noch zu einer Übung nutzen, wie ein altes Foto bezeugt.
Seit 1908 prägt der stattliche Bau nun den Hauptplatz, zusammen mit ähnlichen Häusern im Stil der damaligen Zeit. Er steht unter Denkmalschutz, unter anderem wohl als Beispiel des Architekturgeschmacks der Jahrhundertwende: einerseits mit modernen Jugendstilornamenten, andererseits im rückwärtsgewandten Stil des Historismus mit neubarockem Schweifgiebel und neoklassizistischen Säulen im Eingangsbereich. Auch Erker waren damals besonders beliebt.
Zum Glück für das Stadtbild blieb die äußere Hülle beim Umbau unangetastet, was bei so mancher Modernisierung am Hauptplatz nicht der Fall war, trotz Ensembleschutz.




(Ursula Beyer, Dezember 2019)

Quellen:
Adelheid Schurius: Die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm im Wandel der Zeit. Pfaffenhofen 2017 (S. 130)
Heinrich Streidl: Häuserchronik der Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen 1982 (S. 34 - 35)
Heinrich Streidl: Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen 1980² (S. 342-343)

Fotos: Ursula Beyer bzw. Stadtarchiv

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