Neues und Historisches

Häusergeschichten: Nächtigen auf der Lotterbank

Häusergeschichten: Nächtigen auf der Lotterbank

i 7. Dezember 2019 von U. Beyer

Das ansehnliche Gebäude an der Ecke Löwenstraße/ Ingolstädter Straße wurde erstmals urkundlich erwähnt in einer Kirchenrechnung 1615 - als Gasthaus. Dort konnten Gäste billig auf der "Lotter" übernachten, das heißt einer Holzbank im Gastraum. Deshalb nannte man das Gasthaus beim Lotterwirt (auch Lotherwirt, Lutherwirt). Über zweihundert Jahre lang blieb dieses Wirtshaus im Besitz der gleichen Familie, trotz eines schweren Schicksalsschlags am Grün¬donnerstag 1745. An diesem Tag berührte der Österreichische Erbfolgekrieg Pfaffenhofen. Der Kampf zwischen Franzosen und Österreichern zog sich durch die Stadt. zum Öster¬reichischen Heer gehörten Panduren, die als räuberische Horden auftraten und den Ort in kurzer Zeit brutal ausplünderten. Sie hinterließen Tod, Zerstörung und Armut.

Den Lotterwirt Georg Gerhauser, seine Frau und die acht Kinder traf es dabei hart. Zwar kamen sie mit dem Leben davon, doch die Panduren raubten das Anwesen so gründlich aus, dass ihnen weder Geschirr noch Lebensmittel blieben, nicht einmal ein Stück Brot. An den folgenden Ostertagen fehlten sie im Gottesdienst, weil sie nichts Angemessenes mehr zum Anziehen hatten.

Das Hauswesen, die Geschäftsführung und die Versorgung der Kinder war durch die Plün-derung derartig beeinträchtigt, dass Georg Gerhauser noch fünf Jahre später um die Entlas-sung aus dem Rat der Stadt bat, denn der Existenzkampf ließ ihm keine Zeit mehr für die Amtsgeschäfte.
Es dauerte noch bis in die nächste oder übernächste Generation, bis sich Pfaffenhofen von dem Überfall erholt hatte.

Der Schweifgiebel und die Gestaltung des Portals sind Stilmerkmale des Barock. Sie stammen jedoch nicht aus der Bauzeit oder dem Neubarock um 1900, sondern wurden noch später angebracht, wie eine Aufnahme aus den 1960-er Jahren beweist. Diese zeigt das Gebäude nämlich mit schlichtem Giebel und ohne die heutigen Fenster- und Türumrahmungen. Warum wurde es so spät noch barockisiert? Eine spannende Frage.

U. Beyer, Januar 2018

Anmerkung:
ahd. "lotar"
mhd. "loter" oder "lotter" = "locker", "schlaff", "nichtig", "leichtfertig "
verwandt mit "liederlich",
vgl. verlottert, Lotterleben, Lotterbett
Die Lotterbank, oft nur die Lotter genannt, war eine Bank zum Liegen (Schmeller, Bayerisches Wörterbuch)

Quellen:
Heinrich Streidl: Häuserchronik der Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen 1982
Heinrich Streidl: Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm. W. Ludwig Verlag Pfaffenhofen 1980²
https://wize.life - 02.08.2012
http://www.etymologie.info/~e/d_/de-unterg.html - 1.1.2018

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